„Management solidarökonomischer Unternehmen“. Ein Interview zum aktuellen Buch von Florentine Maier und Ruth Simsa.

Vor knapp einem halben Jahr ist Florentine Maiers und Ruth Simsas Buch „Management solidarökonomischer Unternehmen“ erschienen. Es liefert Tipps und Know-How zu Fragen der Organisation und aus betriebswirtschaftlicher Perspektive, die in der Mainstream-Management-Literatur zu kurz kommen, zum Beispiel: Wie kann man „Marketing“ solidarökonomisch betreiben? Wie kann Demokratie in Organisationen möglichst produktiv und angenehm gestaltet werden? Wie schafft man den Spagat zwischen Führung und Gleichberechtigung?

Für diesen Blogbeitrag haben wir Florentine Maier und Steve Gsellmann zum E-Mail-Interview gebeten. Sie haben gemeinsam das Kapitel über die Rechtsformenwahl solidarökonomischer Unternehmen geschrieben.

City of Collaboration: Was ist das Besondere bei der Wahl der richtigen Rechtsform für
solidarökonomische Betriebe?

Florentine Maier: Für „normale“ Unternehmen werden als Rechtsformen nur Personengesellschaften, GmbH oder Aktiengesellschaft in Betracht gezogen. Aber weil solidarökonomische Unternehmen gemeinwohlorientiert und demokratisch sind, kommen für sie auch Verein und Genossenschaft in Betracht. Über die Vor- und Nachteile dieser Rechtsformen für unternehmerische Tätigkeit sollte man Bescheid wissen. Viele solidarökonomische Initiativen starten als Verein, weil das am einfachsten scheint. Danach stellt sich oft heraus, dass diese Form nicht optimal passt. Typische Probleme sind z.B., wenn man als Verein mit wirtschaftlicher Tätigkeit in eine rechtliche Grauzone gelangt. Oft gibt es auch Probleme, wenn Leute Privatvermögen und viel Zeit in einen Verein investieren, dann aber aussteigen und etwas von ihrer Investition zurückhaben wollen. Lieferanten oder potentielle Geldgeber haben gegenüber Vereinen oft Bedenken wegen der Bonität. Ein anderes Problem findet man oft bei herkömmlichen Unternehmen, die sich in Richtung Solidarökonomie weiterentwickeln. Das sind oft GmbHs. Wenn sie z.B. ihre MitarbeiterInnen als Gesellschafter aufnehmen wollen, dann werden die damit verbundenen Notarkosten zum Problem.

City of Collaboration: Wie seid ihr darauf gekommen, das Kapitel gemeinsam zu schreiben?

Steve Gsellmann: Wir hatten die Idee im Laufe des Kurses „Management solidarökonomischer Betriebe“ an der Wirtschaftsuniversität Wien. Florentine unterrichtete den Kurs; ich war Student. Gemeinsam mit einem Studienkollegen führte ich eine Projektarbeit über ein innovatives Genossenschaftskonzept in Riefensberg (in Vorarlberg) aus. In dieser kleinen Gemeinde fanden sich im Jahr 2014 viele Dorfbewohner in einer Genossenschaft zusammen, um das dortige Wirtshaus „Bartle“ im Ortszentrum zu retten. Ohne die Genossenschaft wäre es vor dem wirtschaftlichen Ende gestanden. Wir waren beeindruckt vom Zusammenhalt der Bewohner aus Riefensberg. Die Rechtsform der Genossenschaft war für uns dabei ungewöhnlich und deshalb besonders interessant. Durch mein Wirtschaftsrecht-Studium fand ich mich in der Materie leicht zurecht. Florentine fragte mich dann, ob ich mit ihr gemeinsam ein Kapitel über Rechtsformenwahl für ihr geplantes Buch schreiben möchte. Ich fand es nicht nur spannend mich mit weiteren solidarökonomischen Unternehmen auseinanderzusetzen, sondern ich konnte die Grundlage des Buchkapitels auch gleichzeitig als Bachelorarbeit verwenden.

City of Collaboration: Könnt Ihr uns in drei Sätzen sagen, was die wichtigsten Dinge sind, die solidarökonomische Unternehmen bei der Wahl der passenden Rechtsform beachten sollen?

Steve Gsellmann: Das geht sogar in 3 Worten! Steuerung. Haftung. Kosten. Das sind die wichtigsten Kriterien, aber selbstverständlich gibt es noch weitere, die auch wichtig sein können. Jede Rechtsform hat Vor- und Nachteile. Wenn man sich damit auseinandersetzt, findet man eine passende Rechtsform für fast jedes solidarökonomische Unternehmen. Und genau das würde ich gerne allen mit auf den Weg geben, die ein solidarökonomisches Unternehmen gründen wollen: Wichtig ist es, dass man bereits im Vorfeld die zur Verfügung stehenden Rechtsformen genau analysiert und eine findet, die für die Unternehmung passend ist. Dabei sollte man überstürzte Entscheidungen unbedingt vermeiden. Denn die Folgen einer falschen Rechtsformwahl sind zum Teil verheerend. Von ausufernden laufenden Kosten, über mangelnde Vertretungsbefugnisse bis hin zu persönlicher Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die sie nicht überblicken!

Buchtipp:

Management solidarökonomischer Unternehmen. Ein Leitfaden für Demokratie und Nachhaltigkeit.

Offene Nähwerkstatt, Umsonstläden und Repair-Cafés sind kleine Beispiele für die wachsende Zahl von alternativen Wirtschaftsinitiativen. Aber nicht nur die Bedeutung solidarökonomischer Unternehmen nimmt zu, auch in gewinnorientierten Unternehmen werden die Methoden der solidarischen Ökonomie, wie z.B. Holacracy, Soziokratie oder Gemeinwohlbilanz zunehmend nachgefragt.

Das Buch beleuchtet Fragen der Solidarökonomie aus Managementperspektive. Themen sind:

  • Grundlagen solidarischer Ökonomie und rechtliche Gestaltungsformen
  • Führung und Management in solidarökonomischen Unternehmen
  • Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Solidarökonomie

Infos zum Kauf oder zur Bestellung:

  • Bestell-Nr.: E10345
  • ISBN: 978-3-7910-4592-4
  • Auflage: 1. Auflage 2019
  • Umfang: 139 Seiten
  • Einband: Broschur
  • Preis: 29,95 € inkl. MwSt.