Stellungnahme zur geplanten Neuausrichtung der Katholischen Sozialakademie Österreichs

Am 3. Juli teilte die Österreichische Bischofskonferenz mit, die verdiente und unverzichtbare Institution der Katholischen Sozialakademie Österreichs (KSÖ) einem „inhaltlichen und strukturellen Relaunch“ zu unterziehen. Dies kam angesichts des 60-jährigen Bestehens der KSÖ und ihrer zentralen Rolle für die Katholische Soziallehre und für Solidarische Ökonomie in Österreich für viele überraschend. Umso mehr als die Umstände des geplanten „Relaunch“, dessen Begründung sowie Gehalt und Nutzen in hohem Maße unklar bleiben. Das RCE Graz-Styria, Zentrum für nachhaltige Gesellschaftstransformation der Universität Graz, arbeitet mit der KSÖ in Fragen Solidarischer Ökonomie eng zusammen. Diese Entwicklung weckt unsere ernste Besorgnis. Im Folgenden veröffentlichen wir daher eine Stellungnahme zur geplanten Neuausrichtung der KSÖ seitens der namhaften Lehrverantwortlichen für die Katholische Soziallehre in Österreich, o. Univ. Prof. MMag. Dr. Ingeborg Gabriel (Institut für Systematische Theologie und Ethik, Universität Wien), Ao. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Guggenberger (Christliche Gesellschaftslehre, Universität Innsbruck), Ass.-Prof. Dr. Jochen Ostheimer (Institut für Ethik und Gesellschaftslehre, Universität Graz), Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver (Christliche Gesellschaftslehre, Universität Innsbruck), Ass. Prof. Dr. Gertraud Putz (Christliche Gesellschaftslehre, Fachbereich Praktische Theologie, Universität Salzburg), Ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Remele (Institut für Ethik und Gesellschaftslehre, Universität Graz), Prof. Dr. Severin Renoldner (Pädagogische Hochschule der Diözese Linz), Univ.-Prof. Dr. Christian Spieß (Christliche Sozialwissenschaften, Johannes-Schasching-Institut, KU Linz), PD Dr. Petra Steinmair-Pösel (KPH Edith Stein) und Ass.-Prof. Dr. Katja Winkler (Christliche Sozialwissenschaften, Johannes-Schasching-Institut, KU Linz).

Als für die Katholische Soziallehre zuständige ProfessorInnen an österreichischen Universitäten und Hochschulen nehmen wir mit Sorge die schweren, vor allem durch die Corona-Pandemie verschärften finanziellen Probleme zur Kenntnis, die den Fortbestand der Katholischen Sozialakademie Österreichs (KSÖ) gefährden. Wir begrüßen die Bereitschaft der österreichischen Bischofskonferenz, zur Überwindung dieser Krise eine hohe finanzielle Akuthilfe zu leisten und sich für eine „inhaltliche Neuaufstellung“ zu engagieren. Gleichzeitig irritiert uns aber die viel zu vage bleibende Betonung, dass die KSÖ einer „inhaltlichen“ Neuausrichtung bedürfe. Durch unsere Zusammenarbeit mit der KSÖ in den letzten Jahren kennen wir diese Einrichtung, deren Stärken unbedingt fortgeführt werden müssen. Einige dieser Stärken wollen wir beispielhaft anführen.
Zuerst wollen wir auf die ausgewogene Balance zwischen innovativer akademischer Forschung und Engagement zu aktuellen sozialethischen Fragen hervorheben. Besonders innovativ zeigte sich hier die Einrichtung der P. Johannes Schasching SJ Fellowships, die bisher drei jungen ForscherInnen, die Möglichkeit gab, über ein Jahr hin aktuelle Fragen der Wirtschaftsethik oder des öko-sozialen Umbaus mit der Tradition der katholischen Soziallehre fruchtbar in Verbindung zu bringen. Im Rahmen von Gastvorträgen konnten diese aktuellen Forschungen auch den Studierenden der Soziallehre an mehreren unserer Ausbildungsstätten nahegebracht werden. Das forscherisch innovative Potential der KSÖ zeigt sich auch daran, dass in den letzten Jahren mehrere von der EU (mit-) finanzierte Forschungsprojekte durchgeführt werden konnten.
Inhaltlich wichtig und notwendig ist auch das Engagement der KSÖ in ökologischen Fragen und in der Umsetzung der vorrangigen Option für die Armen. Das zeigte sich einerseits in der Mitgründung der österreichischen Armutskonferenz als auch im Engagement für ein bedingungsloses Grundeinkommen, mit dem sich die KSÖ seit Jahrzehnten auseinandergesetzt hat. Die Frage eines Grundeinkommens ist durch die Corona-Pandemie eine weltweit so drängende Frage geworden, dass auch Papst Franziskus kürzlich Überlegungen zu einem „universalen Grundeinkommen“ einforderte.
Vorbildlich war und ist die KSÖ auch in ihrer medialen Vermittlung der katholischen Soziallehre. Auf der Höhe der Zeit, hat sie die wichtigen sozialethischen Fragen und Probleme im ksoe blog zur Diskussion gestellt. Besonders hilfreich zur Vermittlung der Soziallehre erweisen sich auch die sieben Videos zu den Grundprinzipien, die die KSÖ – finanziell unterstützt von den Ordensgemeinschaften Österreichs – erstellt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat. Diese Videos eignen sich sehr gut zur Unterstützung unserer eigenen Lehre. Seit Mai dieses Jahres gibt es mit dem Soziallehre-Kompass auch eine sehr hilfreiche und niederschwellig gestaltete schriftliche Arbeitshilfe.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass eine Einrichtung wie die KSÖ für die katholische Kirche und ihr gesellschaftspolitisches Wirken unbedingt notwendig ist. Gerne greifen wir auch die Einladung der für die Neuausrichtung der KSÖ zuständigen Bischöfe auf und nehmen zu den vier gestellten Fragen kurz Stellung.

  1. Unsere bisherigen Erfahrungen mit der KSÖ zeigen uns, dass der eingeschlagene Weg auf alle Fälle fortgeführt werden soll. Dazu gehören vor allem das Engagement hinsichtlich der Option für die Armen und die Klimagerechtigkeit, die entsprechende Vernetzung mit den zivilgesellschaftlich aktiven und relevanten Akteuren in Österreich sowie die mediale Vermittlung der Inhalte der Soziallehre auf der Höhe der Zeit.
  2. Für die künftige KSÖ bieten wir eine Verstärkung der schon gut begonnenen Zusammenarbeit an. Da wir vor allem im Bereich der akademischen Forschung und Lehre kompetent und aktiv sind, können wir diese unsere Stärken einbringen. Umgekehrt können wir durch die Arbeit der KSÖ an den sozialethisch brennenden Fragen und der zivilgesellschaftlichen Vernetzung der KSÖ unsere Arbeit verstärkt auf die aktuellen Herausforderungen der österreichischen Gegenwart ausrichten. Ein jährliches Austauschtreffen erscheint uns für eine verstärkte Zusammenarbeit sinnvoll.
  3. Ein verstärktes Zusammenspiel von ksoe (neu) mit Katholischer Aktion, Caritas, Laienrat, KOO und anderen Playern ist grundsätzlich zu begrüßen. Wir möchten allerdings davor warnen, dieses Zusammenspiel in Richtung eines kleinsten gemeinsamen sozialethischen Nenners hin zu verwässern. Die KSÖ hat in den vergangenen Jahren immer wieder pointiert zu brennenden gesellschaftlichen Fragen in Österreich Stellung genommen. Wir möchten hier als Beispiel nur auf die Publikation Solidarisch antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen (Innsbruck 2019) hinweisen. Diese klare gesellschaftliche Positionierung einer kirchlichen Einrichtung zugunsten der Schwächsten sollte nicht in Frage gestellt werden.
  4. Im Blick auf Rahmenbedingen für die zukünftige ksoe bitten wir, weder die bisher eingesetzten finanziellen Mittel zu kürzen noch die wesentlich durch die Corona-Pandemie ausgelösten finanzielle Krise dazu benützen, eine erfolgreich wirkende Einrichtung einfach „abzuwickeln“. Eine Neuausrichtung sollte sowohl was die bisherigen Inhalte als auch was die bisherigen MitarbeiterInnen betrifft an der bestehenden KSÖ anknüpfen, um gemeinsam einen finanziell gangbaren Weg für die Zukunft zu suchen. Jeder Verbesserung der bisherigen Arbeit begrüßen wir natürlich und sind auch selbst gerne bereit, uns aktiv in der Neuausrichtung einzubringen.

o. Univ. Prof. MMag. Dr. Ingeborg Gabriel (Institut für Systematische Theologie und Ethik, Universität Wien)
Ao. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Guggenberger (Christliche Gesellschaftslehre, Universität Innsbruck)
Ass.-Prof. Dr. Jochen Ostheimer (Institut für Ethik und Gesellschaftslehre, Universität Graz)
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver (Christliche Gesellschaftslehre, Universität Innsbruck)
Ass. Prof. Dr. Gertraud Putz (Christliche Gesellschaftslehre, Fachbereich Praktische Theologie, Universität Salzburg)
Ao. Univ.-Prof. Dr. Kurt Remele (Institut für Ethik und Gesellschaftslehre, Universität Graz)
Prof. Dr. Severin Renoldner (Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz)
Univ.-Prof. Dr. Christian Spieß (Christliche Sozialwissenschaften, Johannes-Schasching-Institut, KU Linz)
PD Dr. Petra Steinmair-Pösel (KPH Edith Stein)
Ass.-Prof. Dr. Katja Winkler (Christliche Sozialwissenschaften, Johannes-Schasching-Institut, KU Linz)