Wirtschaft für den Menschen

Wirtschaftliches Handeln erscheint heute für viele wie ein Prozess, den wir nicht wirklich beeinflussen können. Krisen brechen über ganze Gesellschaften herein wie ein Unwetter. Das Wachstum der Produktion von Gütern und Dienstleistungen scheint fast automatisch abzulaufen, so als handelte es sich um ein Naturgesetz, das der Mensch nicht ändern kann. Was in Vergessenheit geraten ist: Wirtschaft sind wir alle!

Andreas Exner, City of Collaboration in der aktuellen Ausgabe der Contraste – Zeitung für Selbstorganisation vom 02.01.2021

Wirtschaftliches Handeln hat immer nur einen einzigen legitimen Zweck, nämlich konkrete Bedürfnisse zu erfüllen. Die kapitalistische Wirtschaftsweise widerspricht diesen Prinzipien. In ihrem Rahmen werden die Entscheidungen darüber, was von wem für wen auf welche Art produziert und verteilt wird, von wenigen getroffen, die noch dazu in permanenter Konkurrenz gegeneinander stehen. Sie orientierten sich daran, Profit zu maximieren, wobei die Geldvermehrung keinem konkreten Bedürfnis dient und daher keiner Sättigung unterliegt. Die Ausstellung »Wirtschaft für den Menschen« legt den Finger auf diese Problematik und zeigt, dass es Alternativen gibt. Auf zehn Tafeln stellt sie die Themen »Solidarische Ökonomie, Genossenschaften und Demokratie« in einer Sprache dar, die auch für Menschen ohne Vorkenntnisse und für Jugendliche einen Einstieg erlauben soll.

Feminismus und Ökologie verbinden

»Wirtschaft für den Menschen« verbindet die feministische Diskussion zu Wirtschaftsethik und Care mit den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit, die mit dem kapitalistischen Wachstumsimperativ sowie der gegen Mensch und Natur rücksichtslosen Geld- und Warenform zusammenhängen. Maria Mies und Ina Praetorius werden dabei in kritischen Kontrast mit dem patriarchalen Denken von Aristoteles gebracht, der gleichwohl betonte, dass Wirtschaft sich an der Frage der Haushaltung orientieren muss und nicht an der Vermehrung von Geld. Mit Blick auf die sozial-ökologische Vielfachkrise betont Kate Rowarth’s Doughnut-Modell der Wirtschaft, dass wirtschaftliches Handeln zweierlei berücksichtigen muss: planetarische und soziale Grenzen.

Die Ausstellung gibt im Anschluss daran Beispiele für Wirtschaftsweisen, die sich im Rahmen dieser Grenzen bewegen. Nach einer Darstellung der Prinzipien Solidarischer Ökonomien wirft eine weitere Tafel in Hinblick darauf einige Schlaglichter auf deren lange Geschichte. Dabei werden die von Männern dominierten Anfänge frühsozialistischer Debatten mit der tragenden Rolle von Frauen für die Entwicklung Solidarischer Ökonomien kontrastiert, mit Ela Bhatt, der Gründerin der Self-Employed Women’s Association in Indien als einem prominenten Beispiel. Darauf folgt eine Tafel zur Rolle von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch, den Vorläufern der heutigen Raiffeisenverbände und des Österreichischen Genossenschaftsverbands. Die Genossenschaften dieser beiden Verbände sind in allen Wirtschaftssektoren von der Landwirtschaft über Handel und Gewerbe bis hin zu Medien und Wohnbau aktiv.

Beispiele aus Österreich …

Ein besonders interessantes Beispiel für die regionale Entfaltung Solidarischer Ökonomien bietet Brasilien, dem eine eigene Tafel gewidmet ist. Darauf folgt ein detaillierterer Blick auf Beispiele aus Österreich. Dabei werden der Stellenwert von Genossenschaften in der traditionellen Arbeitendenbewegung gewürdigt, neue Entwicklungen von Genossenschaften für Ein-Personen-Unternehmen und zur Stärkung reiner regionalen Lebensmittelversorgung beleuchtet und die Bandbreite von Genossenschaftsverbänden in Österreich dargestellt: vom neuen Verband Rückenwind, der die Diskussion zu Solidarischer Ökonomie merklich belebt und vorangetrieben hat, über den CoopVerband, der sich von der Insolvenz des Konsum erholt hat und neu positioniert, bis hin zum Österreichischen Verband Gemeinnütziger Bauvereinigungen und zu den schon erwähnten Raiffeisenverbänden sowie zum Österreichischen Genossenschaftverband.

… und international

Zwei gesonderte Tafeln konzentrieren sich auf Geschichte und Leistungen des Genossenschaftskomplexes Mondragón im spanischen Baskenland sowie auf neue Formen Solidarischer Ökonomien, die sich nicht nur als Genossenschaften organisieren. Den Abschluss bildet eine Tafel zur Perspektive der Wirtschaftsdemokratie im Kontext einer von Vandana Shiva so genannten planetarischen Demokratie. Dazu werden Beiträge der katholischen Soziallehre, der Arbeitendenbewegung, christlich-sozialer Politiker und des muslimischen Humanismus gewürdigt. Denn die Essenz Solidarischer Ökonomie, so zitiert die Ausstellung den früheren Staatssekretär für Solidarische Ökonomie in Brasilien Paul Singer, ist die Demokratie.

Die Ausstellung wird in Graz und anderen Städten im öffentlichen Raum gezeigt. Lehrmaterialien sollen in Zukunft die Verwendung der Ausstellung im Schulunterricht erleichtern.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe der Contraste – Zeitung für Selbstorganisation
Die Ausstellung steht zum freien Download zur Verfügung: https://cityofcollaboration.org/2020/08/30/ausstellung-wirtschaft-fuer-den-menschen/