Die ALLMENDA Social Business eG, entstand aus dem Talentetauschkreis Vorarlberg und hat inzwischen mehrere neue nachhaltige Projekte in verschiedenen Geschäftsfeldern hervorgebracht. Andreas Exner (RCE Graz) sprach mit Gernot Jochum-Müller, einem Mitbegründer von ALLMENDA.
Gernot, was ist deine Rolle bei ALLMENDA?
Ich bin Mitbegründer und ehrenamtlicher Obmann und Geschäftsführer, das ist ein ziemlich zeitintensives Hobby.
Wann und warum habt ihr die Genossenschaft ALLMENDA gegründet?
Wir sind 2007 gestartet, aus dem Talentetauschkreis Vorarlberg heraus. Wir hatten als Tauschkreis so viele Projekte und so große Beträge zu bewegen, dass der Vorstand gesagt hat, das ist haftungstechnisch schwierig. Wir wollten bewusst nicht den klassischen Weg gehen also, der Verein gründet eine GmbH, die ihm gehört. Darum haben wir entschieden wir stellen neben den Verein eine Genossenschaft und haben alle großen Projekte, die mit mehreren hundert Euro – in Form von Talenten – zu tun hatten, in die Genossenschaft übergeben, wo sie sich weiterentwickeln konnten. Daraus haben sich dann zahlreiche Aktivitäten entwickelt. ALLMENDA ist also eine Projektgenossenschaft für nachhaltige und sinnvolle Projekte.
Du hast es angesprochen, es scheint viel ehrenamtliche Arbeit dahinter zu stecken?
Wir nehmen uns die Freiheit, Projekte zu machen, die sich kostenmäßig nicht decken, daher bleibt öfter bei der Vorstandstätigkeit etwas übrig, das wir nicht bezahlen können, weil wir schauen, dass die Projekte finanziell gut dastehen. Manchmal fehlen uns einfach die Finanzierungsmöglichkeiten, weil das was wir tun, sehr neu und darum noch unbekannt ist.
ALLMENDA hat sich aus dem Tauschkreis entwickelt. Was genau ist Talentetauschkreis?
Es handelt sich um ein wechselseitiges Kreditsystem, in dem mit Talenten bezahlt wird. Dadurch entsteht eine neue Wertbemessung, jede Arbeit ist gleich viel wert, nämlich 100 Talente sind 1 Stunde. Materieller Aufwand wird natürlich abgegolten. Getauscht wird wirklich eine große Vielfalt von Tätigkeiten, Nachbarschaftshilfe, einkaufen in Kleinbetrieben, es sind auch Vereine und Betriebe dabei. Man könnte sagen, es ist ein Netzwerk für lokale und faire Ökonomie. Derzeit haben wir 700 Konten, darunter Einzelpersonen, Familien, Vereine, Betriebe, auch die ALLMENDA Genossenschaft ist weiterhin Mitglied im Tauschkreis.
Wir bewegen im Talentetauschkreis in Vorarlberg ein Volumen zwischen 600.000 und 1 Million Euro an regionaler Wertschöpfung jährlich – wenn man die Talente in Euro umrechnet. Daraus entstehen dann Projekte, wo Mitglieder zusammenkommen und überlegen, können wir das gemeinsam nicht besser machen, die Kreisläufe besser schließen. Diese Projektideen landen dann erst einmal in der ALLMENDA, wo wir sie unterstützen, bis sie auf eigenen Beinen stehen können.
Wo ist die Grenze oder der Unterschied zu einer Regionalwährung?
Das ist schwierig mit den Begriffen, wir definieren es so: beides sind Regionalwährungen. Talente sind eine Regionalwährung, für die man arbeiten muss, die kann man nicht in Euro tauschen oder kaufen. Was landläufig als Regionalwährungen bezeichnet wird, ist durch Euro gedeckt. Das heißt, man parkt Euro auf einem Bankkonto und bringt eigene Scheine in Umlauf, die ein bestimmtes Ziel haben, zum Beispiel die Kaufkraft in eine bestimmte Region zu lenken. Regionalwährungen kann man kaufen oder abonnieren. Man bekommt dann monatlich einen bestimmten Betrag und bringt den bei den Betrieben in Umlauf. Das hat den Effekt, dass der Betrieb auch wieder überlegt, wo kann ich in der Region einkaufen und so die regionale Wertschöpfungskette stärkt. So entstehen immer neue Kreisläufe, neue Kooperationen, eine neue Art wie man aufeinander zugeht. Es handelt sich um zwei Werkzeuge für unterschiedliche Zwecke.
Wer macht die Einlage?
Für die Währungen, die wir herausgeben, macht ALLMENDA die Einlage. Wir geben auch die Scheine heraus, wir sorgen dafür, dass das Geld auch da ist und gedeckt ist. Wir sind Herausgeber für die beiden Vorarlberger Regionalwährungen, die Langenegger Talente und den V-Taler, und auch für den oberösterreichischen Ennstaler. Wir sind auch gerne bereit zu unterstützen, wenn neue Regionalwährungen entstehen sollen. Die Partner vor Ort können sich dann auf das Netzwerk und Mitgliederpflege konzentrieren, wir übernehmen das Organisatorische.
Nun gibt es ja bei der ALLMENDA noch andere Tätigkeitsfelder, kannst du darüber etwas erzählen?
Ein wichtiger Bereich sind die Bürgerkraftwerke. Menschen zeichnen Genossenschaftsanteile und wir investieren in Photovoltaikanlagen in Kooperation mit Gemeinden. Diese Bürgergenossenschaften sind eigene Genossenschaften innerhalb der ALLMENDA. In einer Gemeinde haben wir zum Beispiel eine Photovoltaikanlage auf dem Turnsaal gebaut. Weil alle Investoren auf ihre Rendite verzichten, können wir der Schule und dem Kindergarten Sponsoring für Umweltprojekte im Dorf geben. Das heißt wir leisten einen doppelten Beitrag zur Nachhaltigkeit, einmal zur Energiewende und für Umweltprojekt in den Schulen. Unser Motto ist »Alles was Sinn macht«, es geht und darum, eine möglichst große gesellschaftliche Wirkung zu erreichen. Deshalb schütten wir nie Gewinne aus, sondern reinvestieren immer alles.
Ein weiteres Projekt ist das »S‘Fachl« in Dornbirn. Da sind wir Franchise-Nehmer, das gibt es auch schon in anderen Städten. Es ist ein Laden, in dem viele kleine Hersteller ihre Produkte anbieten können. Eigentlich ist das ein Konzept für größere Städte, wir haben das aber hierher geholt, weil wir sagen, wir brauchen das auch hier, weil es auch hier diese Marktplatz für kleine Betriebe braucht. Das könnten sich aber die Produzenten nicht leisten, darum sind wir die Betreiber, aber wir sagen, es ist euer Marktplatz.
Mit solchen Initiativen können wir Menschen in ihre Selbstständigkeit begleiten, sie ermutigen ihren eigenen Talenten nachzugehen. Wir unterstützen sie, ihre Produkte professionell zu vermarkten.
Könnte man das als Entwicklungslabor für angehende Unternehmer bezeichnen?
Für manche auf jeden Fall, und Labor ist gutes Stichwort – eines unserer Geschäftsfelder ist das Change Lab. Da trauen wir uns zu experimentieren. Wir haben etwa gemeinsam mit dem ÖAMTC dazu geforscht, wie Autos mehr gemeinsam genutzt werden können und haben daraus das »Caruso Car-Sharing« auf den Weg gebracht, erst unter dem Schirm von ALLMENDA, inzwischen als eigene Genossenschaft und in Vorarlberg flächendeckend vorhanden.
Das klingt alles sehr beeindruckend. Ist Vorarlberg ein fruchtbarer Boden für Genossenschaften?
Zwar gibt es eine lange Tradition in Sennereigenossenschaften, Konsumgenossenschaften, aber es ist nicht so, dass hier besonders viele Genossenschaften gegründet würden. Aber es gibt viele Initiativen, in denen dieser Gedanke lebt, kooperativ zu wirtschaften, Unternehmen zu verbinden mit gesellschaftlichem Wandel.
Welche Empfehlungen für Genossenschaftsgründung kannst du Menschen mirgeben, die das auch versuchen wollen?
Unser Gründungsprozess war sehr unkompliziert, weil wir das Netzwerk schon hatten. Ich kenne aber auch viele schwierige Fälle. Unsere Herausforderung ist eher, dass wir nicht nur ökonomisch denken, sondern an unseren Themen dran bleiben und dennoch Kostendeckung erreichen. Oft ist es schwierig, unser Profil beizubehalten, manchmal müssen sich Akteure zusammenraufen um an einem Strang zu ziehen.
Aber ich denke, inzwischen haben wir haben gutes Umfeld geschaffen ein gutes Fundament. Wichtig ist, dranzubleiben, langfristig denken. Es gibt viele Studien darüber, dass Genossenschaften besonders stabil in Krisen sind. Man trägt gemeinsam bei, man steht zusammen, so erzielt man Langlebigkeit. Aber das wichtigste dabei sind die Menschen, das ist nichts für Einzelkämpfer.
Link: allmenda.com
Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der Contraste – Zeitung für Selbstorganisation vom 02.01.2021