Um’s EGG: Dorfgenossenschaft in der oberösterreichischen Gemeinde Losenstein

Nachdem sich der Betrieb eines Lebensmittelgeschäfts in der klassischen Unternehmensform in der 1.600 Einwohner-Gemeinde Losenstein nicht mehr rentierte, suchte Bernd Fischer neue Lösungsmöglichkeiten. Gemeinsam mit anderen gründete er »Um’s EGG«, eine Genossenschaft deren Mitglieder sowohl Produzent*innen wie auch Konsument*innen sind. Mit Bernd Fischer sprach David Steinwender von City of Collaboration.

Zu Beginn, was ist Um‘s Egg und wie ist es entstanden?

Es ist eine Dorfgenossenschaft. EGG steht für »Ennstaler Genossenschaftsgeschäft«*, entstanden ist es dadurch, dass ich als Nahversorger im Ortskern schließen musste – wie viele andere auch – und eine Gruppe von Kund*innen und Lieferant*innen hat nicht locker gelassen. Wir haben gemeinsam überlegt, ob wir das nicht in anderer Form noch einmal versuchen könnten. Für mich war von Anfang an klar, wenn, dann sollte es ein Genossenschaftsgeschäft sein, damit sich die Verantwortung auf viele Schultern verteilt. Wir haben mit Kunden und Lieferanten gemeinsam eine Genossenschaft gegründet und das Geschäft mit verändertem Konzept neu aufgestellt.

Wir bieten ein Lebensmittelvollsortiment, wie in einem Supermarkt, wir haben ein regionales Angebot, einen großen Bioanteil, einen Biogroßhändler für alles, was wir nicht regional beziehen können. Es ist so eine Verbindung von Bauernladen und Supermarkt. Und, ich glaube, es ist der erste genossenschaftlich organisierte Supermarkt mit Selbstbedienung in Österreich.

Was hat es mit der Selbstbedienung auf sich?

An drei Tagen in der Woche, Dienstag, Freitag und Samstag, haben wir geöffnet und es ist eine Verkäuferin anwesend. Da können alle Menschen einkaufen kommen. Für unsere Mitglieder gibt es Zutrittskarten fürs Geschäft, die können an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr einkaufen, sich bei der Kassa anmelden und selbst kassieren. Das funktioniert sehr gut und wird immer besser. Wir haben derzeit 150 Zutrittskarten ausgestellt. Am Anfang haben etwas weniger als die Hälfte trotzdem noch an den drei Öffnungstagen eingekauft, aber gerade die Coronazeit hat da einen starken Schub gebracht, es wurde zum großen Vorteil, dass man alleine ins Geschäft rein kann. Inzwischen machen wir 75% des Umsatzes in Selbstbedienung.

Ist die Verkäuferin angestellt, oder wird diese Aufgabe von den Mitgliedern abgedeckt?

Wir haben nicht so viele Mitglieder, dass wir das schaffen würden. Wir haben zwei bezahlte Angestellte, die aber auch Mitglieder der Genossenschaft sind. Während ihrer Arbeitszeit arbeiten sie gegen Bezahlung, ansonsten auch ehrenamtlich. Es gibt eine Gruppe von etwa 15 Personen, die immer wieder mal einspringen, zum Beispiel beim Reinigen, Regale einschlichten oder bei Transporten. Das ist bei einer Genossenschaft ja gut möglich, dass man ehrenamtliche Arbeit mit bezahlter Arbeit kombiniert. Auch wenn die Angestellten in Urlaub sind oder im Krankenstand können unsere »Eggspert*innen«, wie wir sie nennen, den Verkauf übernehmen.

Ihr nennt euch »Dorfgenossenschaft«. Was ist das besondere daran? Ist das eine spezielle Form der Genossenschaft?

Es war schon vor der Gründung klar, es geht darum, die Infrastruktur eines Dorfes zu schützen, zu erhalten, zu unterstützen. Gründungsgrund war zwar das Ende des Nahversorgers, aber unser Anliegen war von Anfang an auch die Nachbarschaft zu unterstützen, die kleinen Geschäfte zu erhalten oder bei Bedarf weitere Geschäftsfelder zu übernehmen. Wir könnten etwa auch einen Gasthof eröffnen. Wichtig ist auch, dass nicht nur die Haushalte als Kund*innen, sondern auch ein großer Teil der Lieferant*innen Mitglieder sind. Von 70 Lieferanten sind 20 Genossenschaftsmitglieder. Auch sie können jederzeit hinein, die Regale neu befüllen, aber natürlich auch einkaufen. Wir sind auch mitten im Ortskern angesiedelt, zwischen Kirche, Gasthaus, Schule und anderen Geschäften.

Woher kam die Idee?

Es gibt viele geistige Väter und Mütter. Da ja so ein 6-Tage-Betrieb finanziell nicht mehr machbar ist, haben wir anfangs zum Beispiel auch an eine FoodKoop gedacht oder einen Bauernladen. Aber bei der Umfrage, die wir gemacht haben und an der sich viele Haushalte beteiligt haben. war das Ergebnis klar: gewünscht ist wirkliche Vollversorgung. Wir haben uns dann einiges angeschaut, in Deutschland und Österreich, manches waren Genossenschaften, manches auf Vereinsbasis. Der entscheidende Hinweis war ein Beispiel aus Schweden, ein Supermarkt ohne Verkäufer*innen. Bei uns ist es schließlich eine Kombination geworden.

Welche Tipps hast du für Personen, die auch so etwas machen wollen?

Der Schlüssel sind die Menschen. Man braucht eine Gruppe von sechs bis zwölf Personen, würd ich sagen, die wirklich Zeit investieren wollen. Gut ist eine Mischung, junge Leute und ältere, die auch in ihren Kreisen, etwa Kirche und Politik, gut vernetzt sind. Denn genau diese Netzwerke sind wichtig für den Aufbau. Und dann braucht man einen langen Atem und den Mut, es einfach zu versuchen.

* Bei dem Namen handelt es sich auch um ein Wortspiel. »Um‘s Egg« sagt man im Osten Österreichs für »um die Ecke«, was soviel wie »ganz in der Nähe« bedeutet (Anm. der Redaktion).

Link: ums-egg.at

Beitrag aus der Ausgabe der Contraste – Zeitung für Selbstorganisation vom 02.01.2021