Vor 5 Jahren ist das Manifest für eine neue Genossenschaftsbewegung veröffentlicht worden. Karl Staudinger erinnert sich an den Beginn des Revisionsverbands Rückenwind und gibt einen Einblick in Erfolge und Perspektiven.
Am Pfingstsonntag 2015 nahmen die ca. 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums „Gemeinsinnig Wirtschaften“ in der GEA Akademie in Schrems per Akklamation das Manifest für eine neue Genossenschaftsbewegung (rueckenwind.coop/manifestdok) an. Ausgangspunkt des Manifests war die Wahrnehmung – nicht zuletzt durch den inspirierenden gegenseitigen Kontakt am Symposium selbst – dass eine wachsende Gruppe engagierter Menschen das Bedürfnis hat, zur Umsetzung ihrer Vorstellungen von einer guten Gesellschaft nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche/unternehmerische Aktivitäten zu setzen. Als ideale Rechtsform für Unternehmen mit diesem Fokus wurde die Genossenschaft identifiziert. Sie bildet zum einen durch ihre historischen Errungenschaften als Werkzeug zur gemeinschaftlichen Überwindung von Krisen und Not einen attraktiven Anknüpfungspunkt. Zum anderen markiert sie durch das sogenannte Nominalwertprinzip aber auch einen klaren Gegenakzent zur Gesellschaft der Shareholder [1].
Das Symposium, die gegenseitige Stärkung, die es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermittelte, und das Manifest gaben einen entscheidenden Anstoß: nämlich dafür, einen Antrag auf Anerkennung des „Förderungs- und Prüfungsvereins gemeinwohlorientierter Genossenschaften“ als Revisionsverband einzubringen. Eineinhalb Jahre später, im Dezember 2016, erhielt der Verein vom Wirtschaftsminister (damals Reinhold Mitterlehner) den Anerkennungsbescheid zugestellt.
5 Jahre sind ein guter Zeitraum, um zurück zu blicken. Der „Rückenwind – Förderungs- und Revisionsverband gemeinwohlorientierter Genossenschaften“, wie der Verband nun heißt, hat heute mehr als 40 Mitgliedsgenossenschaften und ungefähr 50 fördernde Mitglieder, die den Verband in der Aufbauphase durch Förderbeiträge unterstützen. Tatsächlich haben sich die Annahmen des Manifests bewahrheitet. Die Bedeutung unternehmerischer Initiativen zur Gestaltung unserer Welt wird zunehmend erkannt , Gründerinnen und Gründer wollen das Potenzial der Genossenschaft nutzen. Es zeigt sich auch, dass unser Verband für diese Zielgruppe ein attraktiver Ansprechpartner ist und dass es daher wichtig war, einen neuen Genossenschaftsverband zu gründen.
In manchen der Mitgliedsgenossenschaften des Verbandes werden die wirtschaftspolitischen Konfliktlinien unserer Gesellschaft klar erkennbar: Wenn etwa ein regionaler Nahversorger durch einen Lebensmittelkonzern ins wirtschaftliche Aus getrieben wird und sich die örtliche Gemeinschaft durch die Gründung einer innovativen regionalwirtschaftlichen Genossenschaft dagegen zur Wehr setzt. Dieses Beispiel zeigt durchaus auf, dass man den Goliaths des Lebensmittelhandels zumindest kleine Initiativen entgegensetzen kann. Sie veranschaulichen – gerade in Zeiten einer Pandemie – wie regionalwirtschaftlichen Kreisläufe belebt werden können und wie wichtig sie sind (www.ums-egg.at)
Andere unserer Genossenschaftsprojekte überwinden das Einzelkämpfertum der Ein-Personen-Unternehmen und zeigen, wie durch solidarische Zusammenarbeit ein stabileres, resilienteres und gleichzeitig kreativeres Unternehmen entstehen kann. Ebenso können sie aus kreativen gemeinsamen Ideen hevorgehen oder aber auch aus der Übernahme bestehender Unternehmen (Usus, FreuRaum, wohnbund:consult, etc.).
Schließlich finden sich unter unseren Mitgliedsgenossenschaften auch solche, die neuartige Businessmodelle in Genossenschaftsform umsetzen, wie etwa die ourpower SCE (Europäische Genossenschaft/societas cooperativa europaea), eine Handelsplattform für erneuerbare Energie, die feld:schafft eG, die die Nutzung von Ungenutztem (insbesondere aus dem Gemüseanbau) zu ihrem Unternehmensgegenstand gemacht hat, die architektur:lokal eG, die sich der Revitalisierung traditioneller Bausubstanz verschrieben hat, die lab10 collective eG, die mit ihrer ARTIS-blockchain einen Beitrag für nachhaltige Energie- und Mobilitätslösungen leistet, die FuturAbility, die mit besonderem Fokus auf die Sustainable Development Goals (SDGs) die Transformation in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft unterstützt, oder die SmartManagement eG, die Beratung mit dem Ziel nachhaltiger Geschäftsmodelle auf der Basis ethischer Grundsätze anbietet.
Die bestmögliche Begleitung und Unterstützung unserer Mitgliedsgenossenschaften, insbesondere auch bei der Handhabung der Werkzeuge der gemeinschaftlichen Willensbildung, aber auch in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, ist eine herausfordernde und zugleich schöne Aufgabe für den Vorstand und das Verbandsekretariat. Ein Anliegen, das darüber noch hinausgeht besteht darin, unsere Genossenschaften miteinander zu vernetzen und inspirierende und unterstützende Verbindungen herzustellen.
Ein schönes Stück des Weges liegt hinter uns, ein langer Weg noch vor uns. Unsere Erfahrungen sind ermutigend und wir sind zuversichtlich, die kommenden Herausforderungen bewältigen zu können.
Karl Staudinger, Verbandsjurist
Rückenwind – Förderungs- und Revisionsverband gemeinwohlorientierter Genossenschaften
Fußnote:
[1] Der Geschäftsanteil der Genossenschaft kann nur zum Nominalwert ausbezahlt werden, ein ausscheidendes Mitglied hat kein Anrecht auf einen Anteil an der Steigerung des Unternehmenswerts.
Bildnachweis: Gründung von Um’s Egg. Foto Karl Staudinger.