Die Eröffnung unserer Genossenschaftstalk fand am 31. Mai mit Armin Friedmann vom Raiffeisen Revisionsverband Steiermark statt. Er ist der Leiter des Kompetenzzentrums Genossenschaften des Raiffeisen Revisionsverbandes, welcher 1938 gegründet wurde. Vorerst war der Revisionsverband für die Steiermark, Kärnten, Osttirol und Teile des Burgendlands sowie Slowenien zuständig. Seit 1943 bezieht sich das Tätigkeitsgebiet ausschließlich auf die Steiermark. Der Verband hat 93 Mitgliedsbetrieb, davon 250 Genossenschaften, die wiederum 6.000 Mitarbeiter*innen beschäftigen. Insgesamt gibt es in der Steiermark 600.000 Genossenschaftsmitglieder und 3.000 Funktionär*innen.
Der Raiffeisenrevisionsverband zählt 48 selbstständige Raiffeisenbanken sowie die Raiffeisenlandesband Steiermark, zahlreiche Lagerhäuser und ein breites Spektrum an Genossenschaften zu den Mitgliedsunternehmen. Diese befinden sich zu einem großen Teil in den Sparten Energie, Verwertung (Holz, Milch, Obst und Gemüse), Nutzungsbetriebe sowie auch im Dienstleistungssektor.
Beim Raiffeisenverband handelt sich hierbei, auch aufgrund seiner Bestandszeit um einen eher traditionellen Revisionsverband, welche vor allem der Idee der Genossenschaftspioniers Friedrich Willhelm Raiffeisen folgt. Dessen Leitspruch „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ ist auch heute noch der Grundsatz des Steierischen Raiffeisen Revisionsverbandes. Der Verband hat seinen Sitz in Raaba südlich von Graz und ist damit der einzige Revisionsverband der unmittelbar in der Steiermark tätig ist und dort seinen Sitz hat. Es handelt sich hierbei jedoch nicht nur um einen Revisionsverband sondern auch um eine Interessenvertretung und einen Servicedienstleister.
Die drei wichtigsten Säulen des Raiffeisen Revisionsverbandes sind die Beratung, die Prüfung und die Interessensvertretung. Ziel des Verbandes ist es, ein positives Bild der Genossenschaften in der Öffentlichkeit zu präsentieren, um die Rechtsform bekannter zu machen. Dies soll durch das Aufzeigen ihrer zahlreichen Vorteile, vor allem in der heutigen Zeit, sowie durch das vermitteln der Werte einer Genossenschaft, geschehen.
Was sind nun aber Gründe, sich für die Gründung einer Genossenschaft zu entscheiden? Eine der wichtigsten Eigenschaften von Genossenschaften ist die Solidarität der Genossenschaftsmitglieder mit der Gemeinschaft. Dabei spielen vor allem Zusammenarbeit und Kooperation eine wichtige Rolle. Grundsäulen der Genossenschaft wie beispielsweise Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung können durch den Zusammenschluss Mehrerer gemeinsam bewältigt werden, ganz nach dem Leitspruch von Friedrich Willhelm Raiffeisen.
Der Fokus der Genossenschaft liegt nicht direkt in der Gewinnmaximierung, nichts desto trotz sollte man sich bewusst sein, dass es sich um eine wirtschaftliche Rechtsform handelt und ein professionelles Wirtschaften erforderlich ist. Das zentrale Augenmerk liegt aber auf der Förderung der Mitglieder der Genossenschaft und es werden neben wirtschaftlichen auch ideelle Ziele verfolgt. Der Revisionsverband hilft hierbei vor allem bei rechtlichen Aspekten sowie bei der Prüfung der wirtschaftlichen Ziele und der Prüfung wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit und deckt Fehlentwicklungen sowie Gefährdungspotenziale auf.
Genossenschaften können auch als eine Art Gegenantwort zur Globalisierung gesehen werden, da hier kurze Wege, das Anpassen an lokale Besonderheiten, ein Fokus aus Regionalität und die Wertschöpfung vor Ort eine zentrale Rolle spielen. Deshalb sieht auch Herr Friedmann einen positiven Trend der Genossenschaften, welcher durch die Corona-Krise noch deutlicher sein wird. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind aktuelle Themen, welche die Genossenschaft direkt ansprechen und demnach lässt sich laut Friedmann auch sagen, dass die UN-Nachhaltigkeitsziele auch direkt in der DNA der Genossenschaft liegen.
Die Vorteile überwiegen gegenüber den Nachteilen der Genossenschaft eindeutig, so Friedmann. Ein kleines Mindestkapital, überschaubare Gründungskosten, eine flexible Satzungsgestaltung, das Kooperieren mit Gleichgesinnten, geringe laufende Rechtsberatungskosten, ein einfacher Ein- bzw. Ausstieg aus einer Genossenschaft sowie rechtliche, steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung durch den Revisionsverband sind eindeutige Vorteile der Genossenschaftsform. Der mitunter wichtigste Aspekt ist jedoch die Mitbestimmung der Mitglieder, also das demokratische Kopfstimmrecht, welches die Genossenschaft ausmacht.
Auf der anderen Seite stehen eventuell höhere Kosten als bei der Gründung eines Vereins, womit jedoch auch mehr Sicherheit einhergeht. Im Vergleich zu einer GmbH ist es bei der Genossenschaft auch möglich, im Falle, mit dem Geschäftsanteil (plus einer maximalen Nachschusspflicht in Höhe des Geschäftsanteils) das das Mitglied eingebracht hat, zu haften.
Die Gründung lohnt sich laut Friedmann dennoch und aufgrund ihrer Vorzüge vor allem für all jene, denen unternehmerische Kooperation, Selbstbestimmung, ein gleichberechtigtes Miteinander sowie Offenheit gegenüber den Kooperationspartner*innen und eine hohe wirtschaftliche Sicherheit wichtig sind. Diese Aspekte dürften auch jene Menschen überzeugt haben, welche heuer schon für eine der vier Genossenschaftsneugründungen verantwortlich sind. Darunter befinden sich beispielsweise die Tourismusgenossenschaft Ramsau, das Bäuerliche Versorgungsnetzwerk Steiermark, die Weststeirische Misch- und Mahlgenossenschaft, sowie das KMU-Haus Graz. Ein ganz besonderes Projekt, welches Herr Friedmann zum Schluss noch erwähnte, ist die in Planung stehende erste österreichische Schülergenossenschaft, welche in Verbindung mit dem Projekt City of Collaboration Ende Juni 2021 in Bruck an der Mur entstehen wird.
Was braucht es nun also, um die Förderung von Genossenschaftsneugründungen weiter anzutreiben? Laut Friedmann genau solche Veranstaltungen, wie die Genossenschaftstalks, um eine größere Reichweite und höheren Bekanntheitsgrad der Genossenschaften erzielen zu können. Das Kompetenzzentrum für Genossenschaften, ein weiterer Schritt auf dem Weg zu mehr Neugründunen, welches ebenso in Kooperation mit City of Collaboration entstehen soll, wird eine Anlaufstelle sein, für alle jene, die an einer Gründung interessiert sind und soll demnach auch als Schnittstelle zu den Revisionsverbänden dienen. Wichtig ist es also, die Bekanntheit durch Öffentlichkeitsarbeit zu stärken und Neugründungen zu fördern, indem vor allem auf die zahlreichen Vorteile der Genossenschaftsform hingewiesen wird.
Wir danken Armin Friedmann vom Raiffeisenverband Steiermark für seine Zeit und den Impuls.
Im kommenden Artikel fassen wir den Talk mit dem Rückenwind Verband zusammen.