Die Bischofskonferenz missversteht die Katholische Sozialakademie und will die manchen unliebsame Institution abdrehen. Gastkommenar aus „Die Presse“ (28.7.2020).
von Andreas Exner
Am 3. Juli wurde bekannt, dass die Bischofskonferenz entschieden hat, die Katholische Sozialakademie Österreichs (Ksoe) einem „inhaltlichen und strukturellen Relaunch“ zu unterziehen. Für viele war das eine Entscheidung „wie aus heiterem Himmel“. Fast könnte man denken, es wäre von langer Hand geplant gewesen und es habe nur die passende Gelegenheit gefehlt. Denn das, was die Österreichische Bischofskonferenz da verlautbarte, gleicht mehr den Mustern eines neoliberalen Business Managements oder dem Überraschungsangriff einer auf Austerität eingeschworenen Regierungstruppe als dem verantwortlichen Handeln kirchlicher Würdenträger.
Was ist der Grund für den angekündigten Relaunch? Angeblich sind es „leider erdrückende“ finanzielle Schwierigkeiten, so die Bischofskonferenz. Was sie nicht dazu sagt: Sie selbst hat diese Schwierigkeiten mit zu verantworten. Ist es etwa dem Covid-19-Virus anzulasten, dass die Bischofskonferenz die Ksoe nur unzureichend gefördert hat? Die Bischofskonferenz und damit auch die Diözesen haben bis vor der Viruskrise ein Mehrfaches an Leistung und Wirkung für die zur Verfügung gestellte Grundfinanzierung zurückerhalten. „More bang for the buck“ würde es im neoliberalen Business-Sprech heißen. Die Bischofskonferenz missversteht die Katholische Sozialakademie technokratisch als „Kompetenzzentrum“ und würdigt sie zu einer „Marke“ herab. Dabei ist sie alles andere als das. Sie ist Organ einer lebendigen Kirche. Sie lebt den Auftrag der Soziallehre, die Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums zu deuten und vor allem praktisch wirksam zu werden. Und das seit über 60 Jahren. Österreichs Sozialethiker haben dies in einer gemeinsamen Stellungnahme bekräftigt. Die Katholische Sozialakademie ist das Herz der Katholischen Soziallehre: nah an den Menschen und ihren Nöten, unbequem weil unabhängig und kritisch. Dennoch – oder gerade deshalb: Das Personal, bestehend aus verdienten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll das Feld räumen. Die Frist: ein Jahr. Immerhin, so sagt die Bischofskonferenz, werden die Dienstverhältnisse sozial verträglich gelöst und die dann ehemaligen Mitarbeitenden könnten sich ja „wieder bewerben“. Das wirkt freilich eher wie ein Gnadenakt als ein Akt der Nächstenliebe.
Die Bischofskonferenz wünscht sich einen „starken akademischen Ansatz in der Erforschung der katholischen Soziallehre“. Mit anderen Worten: Sie will die Soziallehre steril abgezirkelt in einen akademischen Elfenbeinturm verbannen. Die Bedeutung der Katholischen Soziallehre liegt aber nicht in einem akademischen Forschungsgegenstand, sondern im Leben der Kirche und von Einrichtungen wie der Sozialakademie.
Covidkrise als Vorwand
Die Viruskrise ist offenbar willkommener Vorwand dafür, eine nicht bei allen beliebte Institution abzudrehen. Sie ist unliebsam, weil sie wirksam ist. Dass sie durch die Installierung eines weiteren Direktors auch die eigentliche Direktorin, die in einer an Frauen in Führungspositionen armen Kirche in den letzten Jahren Hervorragendes geleistet hat, faktisch ins Abseits stellt, mag nur ein Zufall sein. Doch insgesamt zeugt das Vorgehen nicht nur von Unverständnis gegenüber der Soziallehre, sondern ist schlicht skandalös. Zu fordern ist nicht nur der Erhalt der Katholischen Sozialakademie Österreichs in der heutigen, mustergültigen Form, sondern auch eine anständige Finanzierung. Das wäre auch im Sinne von Papst Franziskus. Auf dass sich eine solche Entscheidung nicht wiederhole.