Solidarische Ökonomien gibt es in großen Firmen ebenso wie in kleinen Initiativen, in ganzen Regionen und im weltweiten Austausch. Solidarität hängt nicht davon ab, dass Menschen eng zusammen leben oder einander täglich sehen. Solidarische Ökonomien gibt es auf vielen Ebenen.
Wenn heute über Solidarische Ökonomie gesprochen wird, so heißt es oft:
„Das sind ja spannende Initiativen, Food Coops, Baugruppen, Kostnixläden und so weiter; aber die können doch nur im Kleinen funktionieren. Solange die Menschen einander gut kennen und aus diesem Grund auch vertrauen, kann durchaus demokratisch entschieden werden, was produziert wird oder wie Produkte verteilt werden. Aber wenn es sich um große Unternehmen handelt oder eine ganze Region versorgt werden soll, stoßen solidarökonomische Strukturen an ihre Grenzen. Dann braucht es jemanden, der entscheidet und Entscheidungen durchsetzt anstatt dass alles in einer Gruppe diskutiert wird.“
Daher, so der wiederkehrende Schluss, kann eine Alternative nur aus vielen kleinen Initiativen wachsen. Wenn sich kleine Ansätze vermehren, würden sie früher oder später die Gesellschaft verändern.
So ähnlich wie im Spruch „Steter Tropfen höhlt den Stein.“
Soweit eine gängige Sichtweise.
Solidarische Ökonomie geht an die Wurzel
Doch sind diese Annahmen richtig oder nur ein Vorurteil?
Existiert Solidarische Ökonomie nur in kleinen Nischen? Ist nur „klein“ auch „fein“? Können viele kleine Alternativen, die quasi wie Gras aus dem Boden sprießen, das Gesellschaftssystem umgestalten?
Die Antwort auf alle drei Fragen lautet: Nein. Und das ist eine gute Nachricht.
Formulieren wir die Antwort positiv: Ja, Solidarische Ökonomie existiert auch im Großen. Ja, auch große Solidarische Ökonomien können gut funktionieren. Ja, es gibt Ansätze dafür, die kleinen Alternativen in größere Zusammenhänge einzubetten und sie dadurch zu stärken.
Wenn wir Solidarische Ökonomien im Licht der sozial-ökologischen Transformation betrachten, die wir brauchen, dann geht es weniger darum, ob die Alternativen „klein“ oder „groß“ sind. Vielmehr müssen tiefgreifende Veränderungen in vielen Bereichen zusammenspielen.
Wenn die Beschäftigten in den Betrieben demokratisch kooperieren, aber auf dem Weltmarkt konkurrieren, dann ist das keine Solidarische Ökonomie. Ebensowenig würde eine solidarische Wirtschaftspolitik genügen, die Reichtum von den Vermögenden zu den Arbeitenden umverteilt, wenn die eigentliche Wurzel der ungleichen Verteilung dabei unberührt bleibt: dass nämlich in den Unternehmen, in den Haushalten, in den öffentlichen Körperschaften die Macht über die Einkommen und deren Verwendung zu entscheiden sehr ungleich verteilt ist.
Was ich damit sagen will: Eine Solidarische Ökonomie ist letztlich nur im Ganzen zu haben.
Einzelne Veränderungen sind dafür notwendig, reichen aber nicht. Das ist es ja, was die heute dominierende Art der Politik illustriert: Sie korrigiert im besten Fall isolierte Fehlentwicklungen oberflächlich, während die eigentlichen Ursachen unberührt bleiben. „Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist“, könnte dafür der Leitspruch sein. Das ist auch der tiefere Zweck der ständigen „Reformen“, die die Politik betreibt. Sie ergeben keine Transformation, sondern sichern „business as usual“ ab. Ganz anders der Ansatz der Solidarischen Ökonomie. Sie widmet sich dem Grundproblem. Was es nämlich wirklich braucht, ist eine neue Art zu leben, zu denken, zu produzieren und zu konsumieren. Das ist das Anliegen der Solidarischen Ökonomie.
Alle Ebenen müssen zusammenwirken
Und dafür gibt es viele Ansätze. Doch ist dabei weniger wichtig, ob diese Ansätze „groß“ sind oder „klein“. Entscheidend ist vielmehr, dass sie in der Summe auf vier Ebenen wirksam sind, die miteinander zusammenhängen: Ich nenne sie Nano, Mikro, Meso, Makro. „Große“ und „kleine“ Veränderungen müssen einander ergänzen und insgesamt in eine ganz neue Richtung zielen.
In den folgenden Blogbeiträgen wollen wir euch die vier Ebenen Solidarischer Ökonomie vorstellen. Je nachdem wie dicht ein demokratisches Beziehungsnetz gewebt ist, handelt es sich um Solidarische Ökonomie auf der Ebene von Nano, Mikro, Meso oder Makro. Nano ist dicht, Makro ist lose. In einer einzelnen Organisation sind Menschen sehr dicht miteinander verbunden. Sie müssen eng miteinander kooperieren. Das ist die Nano-Ebene.
Auf dieser Ebene gibt es Solidarische Ökonomien nicht nur in Betrieben, sondern auch in vielen verschiedenen Initiativen, zum Beispiel, wenn ein Verein Veranstaltungen organisiert. Auch die Haushalte gehören zur Solidarischen Ökonomie, sofern sie demokratisch wirtschaften.
Um die Nano-Ebene Solidarischer Ökonomie wird es im nächsten Blogbeitrag gehen.
Ergänzender Bildnachweis: Mural am Gebäude der United Electrical Workers in Chicago, von Dan Manrique Arias. Quelle: Wikimedia, CC BY SA4.0